Hommage von Adolf Muschg

Adolf Muschg

Adolf Muschg

Adolf Muschg zum Tod von Hans-Rudolf Stauffacher

 

Liebe Freunde Hans-Rudolfs,

 

was habe ich hier noch zu sagen?
Ich war nie ein Autor des Stauffacher-Verlages. Ich war, als ein jüngerer Mensch, der ein Stück geschrieben hatte, jemand, der es mit einem bestimmten Menschen zu tun hatte, Hans-Rudolf Stauffacher.

 

Unser Verlagsverhältnis war zuerst und zuletzt das Verhältnis zweier Leute. Es begann mit Offenheit, viel mehr Offenheit von seiner Seite, als es sonst in Gesprächen gibt, die einen Zweck haben. Hans-Rudolf Stauffacher gab darin vor allem eines zu erkennen: Achtung; Achtung vor der Entscheidung des andern. Er machte diesem Andern damit die Sache nicht leichter. Man hat, als Anfänger, vielleicht etwas Selbstbetrug nötig, wenigstens eine günstige Beleuchtung der eignen unsicheren Zuversicht.

 

Hans-Rudolf lieferte stattdessen die Information, die ihm notwendig schien für die Freiheit des andern. Er traute der Sachlichkeit etwas zu; eben dadurch wirkte sie zuverlässig. Am Ende war man eher bereit, einem Menschen zu vertrauen, der einen ernst nahm, als einem, der goldene Berge versprach. Er war bereit, zu tun, was in seiner Macht lag und was sich mit seinen Massstäben vertrug. Er war Hans-Rudolf Stauffacher; er tat nicht alles Mögliche, sondern das Seine.

 

Später lernte ich seine Sachlichkeit anders lesen, persönlicher, auch privater. Er bestand darauf, dem Partner nicht nur die Grenzen des Theatergeschäfts, sondern auch seine eigenen Grenzen mitzuteilen. Dem andern nichts vormachen, hiess für ihn auch: du musst mich nehmen, wie ich bin. Diese Einsicht fand man erst in der Du-Form. Er versteckte mit seiner Kompetenz, dass er sich verlassen fühlen konnte. Und indem er einem rasch wieder erlaubte, sich auf ihn zu verlassen, brauchte von seinen Gefühlen nicht mehr die Rede zu sein: er forderte dem andern keine Skrupel ab; er wollte seine Teilnahme nicht nötig haben.

 

Es kommt mir in diesem Augenblick wie ein Unrecht vor, die Sache Verlag, die er so sehr zu seiner eigenen gemacht hatte, von seiner wahren Person zu trennen. Er war ja ein Mensch, der nicht nur diesen Verlag gemacht hatte, sondern in diesem Verlag sich selbst. Er liess die Autoren leben und schreiben und half ihnen oft bei beidem; aber diesen Autoren gab er nicht nur, wie jeder bedeutende Verleger, sein Gesicht; er  s u c h t e  sein Gesicht in ihnen. Deshalb genügte es ihm nicht, Autoren „zu machen“, und es genügte ihm schon gar nicht, durch seine Autoren ein „gemachter Mann“ zu sein. Er suchte in ihnen im umfassendsten Sinne die Existenz.

 

Hommage im Original